Referenzsubstanzen im Spannungsfeld von Multiple Use und Stabilität

Referenzsubstanzen stellen ein integrales Glied jeglicher analytischer Verfahren dar und sind vor allem im pharmazeutischen Kontext als generelle Bezugsgröße im GMP-Umfeld existenziell.

Referenzsubstanzen stellen ein integrales Glied jeglicher analytischer Verfahren dar und sind vor allem im pharmazeutischen Kontext als generelle Bezugsgröße im GMP-Umfeld existenziell. Die Internationalen Arzneibücher legen hierfür entsprechende Kriterien fest. Das europäische Arzneibuch definiert sowohl die Anforderungsprofile als auch die unterschiedlichen Anwendungsgebiete im Kapitel 5.12

Generell sind von den Arzneibuchkommissionen hergestellte Substanzen  in der Rohstoff- bzw. in der Wirkstoff-Wareneingangskontrolle nur ausschließlich mit den in der jeweiligen Monographie vorgeschriebenen Methoden einsetzbar. Darüber hinaus legen die abgebenden Kommissionen fest, dass der angegebene Gehalt einer Referenzsubstanz nur dann als sicher anzusehen ist, wenn das offizielle Gebinde vor der Verwendung erstmalig geöffnet wird.

Rein rechtlich betrachtet, ist somit eine mehrfache Verwendung dieser Referenzsubstanzen auch unter geeigneten Lagerbedingungen zwischengelagert nicht legal. Die Herausgeber sehen ausschließlich eine wirtschaftlich zwar nicht sinnvolle „Einmalnutzung“ (Single Use) vor. Durch die Lagerung können zwei gravierende Veränderungen der Referenzsubstanzen entstehen:

  • Der Absolut -Gehalt hängt entscheidend vom jeweiligen Anteil an Feuchtigkeit neben eventuellen Hydratbildungen ab. Durch die Öffnung der Original -Gebinde kommt es oftmals zu hygroskopischen Effekten, so das schon nach kurzer Zeit der angegebene Gehalt nicht mehr existent ist.
  • Als zweites wichtiges Kriterium gilt die Sicherstellung der Identität und Reinheit der Referenzsubstanz nach Kontakt mit Sauerstoff bzw. auch Feuchtigkeit nach einer Öffnung der Original Gebinde

Weiterhin ist somit rein rechtlich gesehen, die Verwendung amtlich ausgegebener Arzneibuch- Standards für die Analytik von anderen Matrices nicht zulässig, da die Qualifizierung dieser Referenzsubstanzen hierfür nicht hinreichend ist. Dies bedeutet, dass derartige Standards für die Analyse der Prüfsubstanz in einem Fertigarzneimittel mit der Monographie-Methode noch mit einer anderen Methode zulässig wäre. Die Realität im pharmazeutischen Analysealltag sieht aber komplett anders aus, weil hier sowohl aus Kostengründen einerseits, aber auch aus Gründen der Verfügbarkeit typische Referenzsubstanzen aus einem Gebinde mehrfach zeitlich gestaffelt entnommen werden und die Risiken der Gehaltsveränderung bzw. chemischen Modifikation nicht hinreichend betrachtet werden, sowie die rechtliche Verpflichtung, diese nicht für andere analytische Verfahren einzusetzen, aus Praktikabilitätsgründen umgangen wird.

In einigen Unternehmen wird das „Single Use-Gebot“ dadurch eingehalten, dass aus den Referenzsubstanzen geeignet-konzentrierte Referenz-Stammlösungen in ausreichender Menge einmalig hergestellt und entweder als Bulk oder in Einzelportionen ampulliert gelagert werden. Das Problem hierbei ist aber die Tatsache, dass die Stabilität der Referenzsubstanzen in den gewählten Lösungsmitteln in aller Regel nie hinreichend geprüft noch die notwendigen Lagerbedingungen über empirische Daten abgesichert werden.

Die praktikable Lösung dieser Problemstellung kann in der Regel nicht auf der Basis von amtlichen Standards realisiert werden (siehe oben).  Hierfür bieten voll qualifizierte Referenzsubstanzen privater renommierter Hersteller eine sinnvolle Lösung an. Nur diese Standards können einerseits mehrfach aus dem Gebinde entnommen werden, da hier sowohl ein geeigneter Wassergehalt eingestellt wurde, der dem normalen Laborumfeld entspricht und somit eine entsprechende Gehaltskonstanz auch bei „Multiple Use“ gewährleistet werden kann. Darüber hinaus wird auch vor der Abgabe die Stabilität der Verbindung hinsichtlich der Umweltbedingungen hinreichend geprüft, so dass auch die Qualität und Reinheit neben dem Gehalt sichergestellt werden kann. Dies ist aber nur dann möglich, wenn die entsprechenden Referenzsubstanzen unter geeigneten Lagerbedingungen eingelagert werden.

Aufgrund fast dreißigjähriger Berufserfahrung mit Referenzsubstanzen konnten von uns geeignete Herstell-, Abfüll- und Lagerbedingungen entwickelt werden. Als generelles Kriterium kann gelten: Die schonendste Lagerung von Referenzsubstanzen ab dem Zugang ins Labor ist die Einlagerung bei -20°C im Gefrierschrank. Vor der Entnahme der benötigten Portion muss die gefrorene Referenzsubstanz vor der Öffnung langsam auf Raumtemperatur gebracht werden, um eine Veränderung des bei der Herstellung eingestellten Wassergehaltes zu verhindern. Ist der substanzspezifische Wassergehalt richtig eingestellt, kommt es auch nicht, wie sonst üblich, zu sogenannten lokalen Ausfrier-Effekten, die sich in einer inhomogenen Feuchtigkeitsverteilung in der Bulkware widerspiegeln und somit unterschiedliche Gehalte in der Analytik nach sich ziehen würden. Folglich ist auch die Anwendung dieser Lagerung bei anderweitig hergestellten Substanzen als kritisch zu betrachten da hier der optimale Zustand und somit der reale Gehalt nie ausreichend sichergestellt bzw. bestimmt wurde.

Ein weiterer kritischer Faktor vor allem bei kristallinen Substanzen kann der Wechsel des Kristallwasser-Zustandes (Hydratwasser) sein. Je nach Außenbedingungen kann ein Molekül seine kristalline Struktur modifizieren. Es können hier sogar in der typischen Literatur nicht dokumentierte neue Hydrate auftreten, ohne dass der Anwender dies äußerlich erkennen kann.

Nur durch entsprechende Erfahrungswerte und hinreichende analytische Untersuchungen kann die Verwendung von Referenzsubstanzen ausreichend sicher gemacht werden. Nur ubiquitär einsetzbare also multifunktionale Referenzsubstanzen schaffen die vom Gesetzgeber vorgegebene Sicherheit, Kontinuität und Validität für die tägliche Laborarbeit, ohne sich in der bislang noch nur geringfügig sanktionierten Teil-Legalität bewegen zu müssen.

Eine übliche Lagerung konventioneller Referenzsubstanzen mit oder ohne Lichtschutz bei Raumtemperatur bzw. im Kühlschrank (4-8°C) kann nur für geschützte und ungeöffnete Gebinde Verwendung finden, da in der Regel der jeweilige Hersteller (inkl. amtlicher Stellen) bereits geeignete Schutzmaßnahmen wie Schutzgas-Atmosphäre oder Braunglas-Gebinde zur Auslieferung verwendet. Diese Maßnahmen haben aber keinen hinreichenden Schutzcharakter bei „multiple Use“- Verwendung.

Die Referenzsubstanz-Problematik rückt neuerdings stärker in den Vordergrund, was sich auch schon bei diversen Behörden-Audits bemerkbar gemacht hat. Derzeit sind aber die Auditoren nicht hinreichend sensibilisiert, so dass trotz mangelnder Legalität die Verwendung von amtlichen Standards für die Zwischenprodukt- bzw. Fertigprodukt-Analysen auch bei modifizierten Analysemethoden toleriert werden, und damit eigentlich eine missbräuchliche Anwendung stattfindet. Damit geht auch eine Tolerierung der „multiple Use“ Nutzung einher, wobei die oben detailliert dargestellten Risiken derzeit nur geringe Beachtung finden.

Neu-Ulm, den ______________________          _____________________________

Datum                                                              Unterschrift

Hans Rausch

Biologe und Chemiker

Amtlicher Sachverständiger nach § 65 Arzneimittelgesetz

Gesellschafter-Geschäftsführer der Fa. Phytochem Referenzsubstanzen GbRmbH

Gesellschafter und Leiter Entwicklung der Nature Things GmbH 

Gesellschafter und Leiter Entwicklung der Naturwerk GmbH

Gesellschafter und Leiter Entwicklung der Pellimed KG 

Gesellschafter und Qualified Persion der ConPhyMed Pharmaceuticals GmbH

Gesellschafter der ConPhyMed Consulting GmbH

Gesellschafter und Qualified Persion der BLP Consulting GmbH

Gesellschafter der Hydrodrill Bohrgesellschaft

Gesellschafter der E und R Baudienstleistungs GmbH

Leiter Entwicklung der Plant for Med GmbH

Dozent für Pharma und Lebensmittel an der University of applied Science Isny
Vis. Prof. der Jiangxi Universität für TCM (China)

Gutachter für das bayerische Wirtschaftsministerium und davor des bayer. Wissenschaftsministeriums seit 20 Jahren

Stv. Bundesobmann des deutschen DIN-Normungsausschusses für die Traditionell Chinesische Medizin (TCM)

Vorschlagsberechtigter Experte des Normierungssekretariats zur Standardisierung der Qualität von TCM-Produkten im Rahmen der internationalen ISO-Normierung und langjähriges Verhandlungsmitglied der deutschen Delegation